Ein grundlegender Aspekt jeder Persönlichkeitsentwicklung ist die direkte Begegnung und Auseinandersetzung mit künstlerischer Arbeit, mit Kunstwerken, Tanz und Theater.

Das Einzigartige, Ungewöhnliche und Fremde in der Kunst befördert und fordert neue Sehweisen. Die Fragen, die dabei entstehen, verlangen keine schnelle Antwort. Sie sind Motor, Treibstoff und Ziel. Ein eigener Prozess wird in Gang gesetzt, die Erweiterung der Horizonte kann beginnen, die unbegrenzten Möglichkeiten der Orientierung und der persönlichen Äußerung erhält Perspektiven.

In den Werken der Künstler zeigen sich Beispiele unterschiedlichster Strategien und Standpunkte. Die Beschäftigung mit Form und Inhalt, mit Materialien und Techniken, die Wirkung von visuellen und akustischen Proportionen, Rhythmen, Licht und Volumen, eröffnen eine sinnliche Welt jenseits der eingefahrenen Wege.

Das Selbstbewusstsein des Einzelnen wächst im Inneren; die Auslöser individueller Motivation liegen in der Erfahrung selbst erlebter sinnlicher Eindrücke. Inspiration und Originalität sind übertragbare Werte, ihre Kraftquellen lassen sich für vieles nutzen: Die wesentlichen Rätsel, die der künstlerischen Arbeit innewohnen, entsprechen der radikalen Sinnsuche junger Menschen, sie entsprechen ihren Schwächen, ihrem Spieltrieb und ihrer unverwechselbaren Energie.

outback stiftung - Verein und Profi
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© Michel Sauer

Warum Kunst zählt

Alles was zu sehen ist hat Einfluss auf unsere Einstellung, unsere Sicht der Umgebung und unsere Bildung. Schon der erste Eindruck visueller Wahrnehmung kann formend für die Empfänglichkeit und Einschätzung des Sichtbaren sein. Die im Kopf entstehenden Bilder wirken unmittelbar auf eine individuelle Bewertung und Orientierung.

Davon ausgehend, dass alles was sich zeigt auch offensichtlich vorhanden ist, wird eine Vorstellung erzeugt, betrachtet, überdacht, interpretiert und kann besprochen oder beschrieben werden. In diesem komplexen Vorgang bildet sich nicht nur die Persönlichkeit des Einzelnen oder ein aktueller Standpunkt, es entsteht und entfaltet sich dadurch nichts weniger als die Verbindung mit der Welt und unserer Zeit. In den Begegnungen mit künstlerischen Erzeugnissen und Aktivitäten liegen deshalb die vielfältigen und grundlegenden Rohstoffe einer allgemeinen Entwicklung.

Künstlerische Arbeit basiert auf dieser fundamentalen Einsicht und stellt sich. Sie ruft damit elementare Fragen auf ohne zwingend Antwort zu fordern. Sie legt keine Deutung voraus, sondern entwirft lebendige Momente und Zustände von Überraschung und Teilnahme. Sie zielt mit Neugier und Zuversicht in die offenen Bereiche der Darstellung, erforscht und wagt die Erweiterung, das Neue und Andere, sie experimentiert, inspiriert und wenn sie scheitert ist auch das zu sehen.

Künstlerische Arbeit zeigt persönliches Verhalten, ein bewusstes Handeln, das sich zum bewussten Hinsehen verhält, indem es sichtbar Position bezieht. Dass sich darin auch das Unverständliche aufhalten kann, dass einiges rätselhaft bleiben muss, gehört unbedingt dazu. Das Bildhafte von Ideen, von Formen und Farben, Strukturen und Konstruktionen bedarf nicht der Erklärbarkeit, es zeigt sich in seiner reinsten Form, wenn es sich nur auf diese Weise sagen lässt. Es ist vor allem diese Konsequenz, die den elementaren Wert künstlerischer Arbeiten ausmacht. Weil die Anregung der Phantasie stetig nach weiterer Nahrung sucht und weil das Sehen ein ständiges Grundbedürfnis ist. Am Modell von künstlerischen Auffassungen und Lösungen zeigen sich beispielhaft unterschiedliche und inspirierende Sichtweisen und Wege, die der Vorstellungskraft des Einzelnen auch unbekannte Türen öffnen.

Michel Sauer

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© Johan Röhing / Der Innere Schweinehund, 2000

Kunst in der pädagogischen Arbeit

Die offensichtlichen Unterschiede zwischen Fußball und Kunst bieten für junge Menschen einige bemerkenswert vergleichbare Möglichkeiten, die der individuellen Entfaltung und Persönlichkeitsbildung beispielhafte Impulse geben können. Dabei spielt nicht nur die Vorbildfunktion offensichtlicher Erfolge eine Rolle; eine Identifikation mit der Positionierung der öffentlichen Stars erscheint als Herausforderung zu oft vom Geld bestimmt.

Dagegen gibt es die unzähligen Beispiele persönlicher Leistungen einer weit angelegten Vorbild-Kultur, die in vielfältig ansprechender Weise auf die Voraussetzungen, Ideale und Bedürfnisse verschiedener Charaktere wirken können. Hier rücken gefächerte Modell-Situationen näher an die reale Welt einer größeren Zahl von Jungendlichen heran. Die Entdeckung anderer oder bisher völlig fremder Bereiche bietet nicht nur das Erfolgserlebnis der Eroberung von etwas Neuem, sondern berücksichtigt unterschiedliche Bedingungen und erweitert die Chancen, in einer aufgeschlossenen Atmosphäre die erreichbaren Inspirations-Kräfte mit Leben zu füllen.

Schon im Erkennen dieser „eigenen“ Wünsche liegt der erste Schlüssel einer fruchtbaren Erfahrung. Die Verfolgung persönlich gesetzter Ziele vermittelt dem Einzelnen für Strategien und Lösungen ein wachsendes Selbstvertrauen. Es geht darum, mögliche Perspektiven aufzuzeigen und die Neugier der Jugendlichen zu fördern, dafür die Grundlagen zu schaffen und auszubauen, die Vorstellungen mit Fantasie auszustatten und die Beispiele unkonventioneller Wege mit Unvoreingenommenheit zu begleiten.

Michel Sauer

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